Es gibt so viele mögliche Untersuchungen, die ich z.T. selber bezahlen muss/soll. Wie kann ich entscheiden was sinnvoll ist?
Das ist eine wirklich berechtigte Frage. Ich möchte Ihnen hier versuchen, den gesamten Kontext der SS-Vorsorge zu erklären. Was ist gesetzlich vorgesehen, was nicht? Und was ist sinnvoll?! Wo ist eine Untersuchung sinnvoll obwohl diese nicht von der Krankenkasse bezahlt wird.
Falls Sie nur nach einer bestimmten Untersuchung suchen so finden Sie diese ggf. auch nochmals als Einzelpunkt im Menu.
Natürlich ist die Entscheidung für oder gegen eine Untersuchung immer höchst individuell. Ich stelle hier den aktuellen wissenschaftlichen Stand dar.
Eine Frage sollten sie sich als Paar auf jeden Fall immer stellen:
Wie würde ich damit umgehen, wenn eine Untersuchung einen auffälligen Befund ergibt? Ist für uns ein Abbruch der Schwangerschaft denkbar oder undenkbar? Wie würden wir reagieren? Natürlich ist dieser Fall sehr viel seltener als ein unauffälliger Befund, trotzdem ist es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen. Es gibt nämlich auch ein Recht auf Nicht-Wissen.
Was zahlt die Krankenkasse:
Zunächst einmal gibt es in Deutschland erfreulicherweise eine gesetzlich geregelte SS-Vorsorge. Dies ist ein großer Vorteil den unsere Schwangeren gegenüber vielen anderen Ländern haben. Nehmen sie diese Vorsorge bei ihrem Frauenarzt unbedingt in Anspruch. Durch regelmäßige Untersuchungen, zuerst alle 4 Wochen, später dann 2-wöchentlich, ist es möglich, viele Risiken und Probleme früh genug zu erkennen um reagieren zu können.
Zu dieser Vorsorge gehört zum Beispiel eine regelmäßige Untersuchung von Urin, Blut und Blutdruck sowie die Gewichtsentwicklung. In der ca 10., 20. Und 30. SSW ist ein Ultraschall vorgesehen, mit dem die Entwicklung des Kindes beurteilt wird. In der 20. SSW obliegt es dem Frauenarzt, die Organe des Kindes in groben Zügen zu beurteilen. Ist er unsicher dass das Kind sich gut entwickelt, kann er es z.B. wegen schlechter Sichtverhältnisse nicht hinreichend beurteilen oder sieht er gar Auffälligkeiten ist eine Überweisung zum Spezialisten für Pränataldiagnostik (DEGUM-II oder gleiche Qualifikation), wie ich zum Beispiel es bin, sinnvoll. Hier erfolgt eine hochauflösende spezialisierte Ultraschalluntersuchung, bei der alle Organe beurteilt werden müssen wie z.B. das Herz mit all seinen Klappen, Gefäßen usw.. Bei eventuellen Auffälligkeiten würde sich eine weitere Abklärung und eine intensivierte Betreuung anschließen. Näheres dazu s.u. Thema Fehlbildungsultrascha 20. SSW
Anrecht auf einen solchen spezialisierten Ultraschall haben in Deutschland leider nur Schwangere mit entsprechenden Risiken. Dazu zählt ein Alter von 35 Jahren oder mehr oder auch ein krankes Kind in einer vorhergehenden Schwangerschaft oder auch Mehrlinge (Zwillinge, Drillinge, …). Wissenschaftlich sinnvoll wäre dass jede Schwangere das Anrecht auf einen solchen ausführlichen Ultraschall hat – dies ist jedoch leider nicht der Fall. Wenn sie einen solchen ausführlichen Ultraschall aber zum Beispiel brauchen weil sie große Angst vor einem kranken Kind haben so kann ihr Frauenarzt sie auch mit einer solchen Begründung an den Spezialisten überweisen. Wenn sie von ihrem Frauenarzt eine solche Überweisung nicht erhalten so bleibt ihnen nur der Weg, die Untersuchung selbst zu zahlen.
Zwischen der 24. Und 28. SSW, bei Risiken (z.B. Übergewicht) aber auch vorher, wird der Zuckertest angeboten, der unbedingt wahrgenommen werden sollte. Näheres dazu beim Thema Diabetes und Schwangerschaft.
Was ist sinnvoll, muss ich aber evtl. selbst bezahlen:
Um Ihnen einen besseren Überblick zu geben habe ich die möglichen Untersuchungen in der zeitlichen Abfolge der Schwangerschaft dargestellt:
Zu Beginn der SS / bei Erstfeststellung der SS:
Toxoplasmose: Wenn sie bisher keine Toxoplasmose hatten oder ihr Antikörperstatus unbekannt ist so ist eine Diagnostik sinnvoll
Cytomegalie: Für die Cytomegalie gilt dasselbe, insbesondere wenn sie selbst ein Kleinkind daheim haben oder mit diesen Kontakt haben, da Kleinkinder die häufigsten Überträger sind.
Andere Infektionskrankheiten: Nur wenn es eine Auffälligkeit bei Ihnen oder dem Kind gibt
Thema Ultraschalluntersuchungen
Ohne Zweifel ist der vorgeburtliche Ultraschall für die werdenden Eltern immer ein besonderes Erlebnis. Doch über dieses Erlebnis hinaus ist er vor allem von großer Bedeutung für die Überwachung des regelrechten Verlaufes der kindlichen Entwicklung. Mit dem Ultraschall kann sowohl die Größenentwicklung wie auch mit Hilfe des Dopplers das Wohlbefinden des Kindes überprüft werden. Gerade in Risikoschwangerschaften ist das von großer Bedeutung um Schaden vom Kind abzuwenden. Darüberhinaus gibt es den sogenannten Fehlbildungsultraschall, der vom Spezialisten für Pränataldiagnostik durchgeführt wird. Zu Erkennen ist er zu, Beispiel am Titel DEGUM II. Dieser Ultraschall wird zwischen der 18. Und 22. SSW durchgeführt. Mehr siehe dazu weiter unten.
12.-14. SSW:
Eine spezialisierte Ultraschalluntersuchung ist bereits in dieser SSW möglich und sinnvoll, allerdings wird diese nur bei Risiken (s.o.) bezahlt. Seit Januar 2024 gibt es eine von den Fachgesellschaften verabschiedete Leitlinie zu u.g. Untersuchungen. Nachzulesen ist diese unter
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/085-002
Dort findet sich auch ein Flowchart, welches den Ablauf in Abhängigkeit vom Testergebnis zeigt.
Bestandteile sind: Präeklampsiescreening, früher Fehlbildungsultraschall, NT-Messung und ggf. NIPT bzw. eine ivasive Diagnostik mittels Fruchtwasseruntersuchung (AC) oder Punktion des Mutterkuchens (CVS)
- Ultraschalluntersuchung auf ein erhöhtes Risiko für Präeklampsie (Bluthochdruck in der Schwangerschaft=PE) Eine Information jeder Schwangeren über diese Möglichkeit soll lt. Leitlinie erfolgen.
Beim Ultraschallspezialisten erfolgt eine Messung der Blutzufuhr zum Kind. Ist diese normal, so ist das Risiko für eine PE nahezu ausgeschlossen. Ist das Risiko erhöht, so sollte eine Prophylaxe/Behandlung mit ASS (Acetylsalicylsäure) erfolgen. Bei Therapiebeginn vor der 18. SSW und regelmäßiger Einnahme 1x tgl. abends wird das Risiko für einen schweren Verlauf um 90% gesenkt.
Wer sollte sich untersuchen lassen: Das Risiko für eine PE ist vor allem in der ersten Schwangerschaft am höchsten. Dementsprechend ist der wissenschaftliche Rat an jede Schwangere die noch kein Kind hat, diese Untersuchung durchführen zu lassen. Immerhin 0,5 – 2% aller Erstgebärenden bekommen eine PE. Darüberhinaus ist eine solche Untersuchung sinnvoll, wenn die Schwangerschaft von einem neuen Partner ist. Sollte in der ersten Schwangerschaft eine PE vorgelegen haben, so wird die Untersuchung meistens von der Kasse finanziert
- Ein früher Fehlbildungsultraschall etwa ab der 13. SSW ist beim Pränataldiagnostiker heute möglich. Eine Information jeder Schwangeren über diese Möglichkeit soll lt. Leitlinie erfolgen. Vorteil der Untersuchungen ist, dass ein Großteil der schweren lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen z.B. schwere Herzfehler bereits früh erkannt werden können. Der große Vorteil ist, dass entweder früh gehandelt werden kann (s.o. Präeklampsie) oder aber zumindest frühzeitig eine Besonderheit beim Kind festgestellt werden kann, sodass das Paar ausreichend Zeit hat, sich über die Problematik zu informieren und zu überlegen, wie es damit umgeht, wenn das Kind zum Beispiel eine lebensbedrohliche Erkrankung hat. Dieser frühe Fehlbildungsschall ist bis heute leider noch nicht in den Leistungen der Krankenkasse hinreichend abgebildet. Meist ist es jedoch so, dass die Kasse dann bezahlt, wenn auch für den spezialisierten Ultraschall in der 20. SSW gezahlt werden würde (z.B. bei Risikoschwangeren).
- Testung des Kindes auf eine Chromosomenstörung aus mütterlichem Blut (NIPT)
Bei der nicht-invasiven pränatale Testung (NIPT) wird nach kindlichen Zellen im mütterlichen Blut gesucht. Wenn eine ausreichende Zahl gefunden wird, kann damit über statistische Modelle eine Aussage zum Risiko für eine Chromosomenstörung beim Kind gemacht werden.
Der Test wird auf Verlangen der Schwangeren durchgeführt und dann auch von der Kasse bezahlt. Ein unauffälliger NIPT bedeutet NICHT, dass das Kind gesund ist! (s. unten, Schwäche des NIPT)
Die Stärke dieses Testes liegt darin, dass bei einem unauffälligen Befund bzgl. Der Trisomie 21 (Down-Syndrom, mongoloides Kind, T21) diese nahezu ausgeschlossen ist. Ebenso wird üblicherweise auch eine Aussage zu zwei weiteren Chromosomenstörungen (Trisomie 13 (T13), Trisomie18 (T18)) gemacht. Diese Störungen sind regelhaft nicht lebensfähig, spätestens kurz nach der Geburt verstirbt das Kind. Doch wie gut sind diese Tests und ist damit eine Behinderung des Kindes ausgeschlossen. Dazu muss man ein bisschen Mathematik können um das zu verstehen:
Die T21 ist die häufigste Chromosomenstörung und das Risiko steigt mit dem mütterlichen Alter. Im Alter von 35 Jahren liegt das Risiko für eine Chromosomenstörung bei etwa 1:300, im Alter von 40 Jahren bei 1:100. Der NIPT hat eine falsch negativ-Rate (Wie viele Kinder mit T21 werden beim Test übersehen) von 1:2000. Dementsprechend sagt ein unauffälliger Test, dass im Alter von 35 Jahren lediglich noch eine von 600.000 Frauen ein Kind mit T21 bekommen wird. Ist die Frau 40 Jahre alt, so liegt das Restrisiko bei 1:200.000.
Doch was ist, wenn der Test auffällig ist? Die falsch-positiv-Rate liegt bei 1:1000. Das heißt, dass wenn 1000 Tests gemacht werden, ist einer davon positiv, obwohl das Kind keine T21 hat. Ist eine Frau 35 Jahre alt, so sind bei 1000 Test ca 3 Kinder mit T21 zu erwarten und der Test schlägt zutreffend an. Bei einem Kind ist er jedoch falsch positiv (s.o.). Am Ende bedeutet das, dass bei einem positiven Test auf T21 bei einer 35-jährigen 75% der Test richtig sind, aber 25% falsch. Ist die Frau 40 Jahre alt, so ist sind die Zahlen: 1 von 10 positiven ist falsch positiv.
Was bleibt als Konsequenz (auch für alle die, denen diese Mathematik zu kompliziert ist)?
Ein positiver Test heißt nicht, dass das Kind erkrankt ist, aber es bedeutet, dass das Risiko deutlich erhöht ist. Ein solcher Test muss unbedingt dann durch eine weitere invasive Diagnostik beim Ultraschallspezialisten weiter abgeklärt werden. Diese Kosten trägt die Kasse ebenfalls.
Ähnliches gilt für die Untersuchungen auf T13 und T18.
Aus dem Gesagten ergeben sich für das Paar, dass eine NIPT durchführen lässt, mindestens zwei Konsequenzen: Erstens muss sich das Paar darüber Gedanken machen, was sich für Konsequenzen aus einem positiven Befund ergeben. Ist dann ein Abbruch der Schwangerschaft erwünscht oder würde ein Kind mit T21 akzeptiert? In diesem Fall rate ich von einer NIPT ab, denn als logische Folge der positiven NIPT ergibt sich die invasive Diagnostik mittels Fruchtwasseruntersuchung. Und diese kann – wenn auch nur in 1 von 800 Fällen – auch zum Verlust der dann schlimmstenfalls unauffälligen Schwangerschaft führen.
Die NIPT wird üblicherweise von ihrem Frauenarzt angeboten. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist eine Überweisung an einen Pränataldiagnostiker sinnvoll.
Schwäche des NIPT
Immer wieder wird fälschlicherweise angenommen, dass ein unauffälliger NIPT heißt, dass mein Kind gesund ist. Dies ist mitnichten so. Der NIPT testet nur – und dass auch noch mit einem zugegeben geringen Restrisiko – auf die Chromosomenstörungen T13/18/21. Dies betrifft zwar einen Großteil der zahlenmäßigen Chromosomenstörungen, aber der allergrößte Teil der Kinder die mit Auffälligkeiten geboren werden, ist NICHT durch eine Chromosomenstörung bedingt.
Unter allen Schwangerschaften der 20. SSW sind bei der Altersstruktur der Schwangeren in Deutschland etwa 0,5% mit Chromosomenstörungen verbunden. Insgesamt zeigen jedoch 2% aller geborenen Kinder irgendwelche Auffälligkeiten / Besonderheiten. Das heißt, 3 von 4 Kinder haben Auffälligkeiten außerhalb der untersuchten Chromosomen 13, 18 und 21. Anders gesagt: Auf einen auffälligen NIPT kommen 3 Kinder mit Besonderheiten und unauffälligen NIPT. Dies ist der Grund, warum ein NIPT NICHT die detaillierte Ultraschalluntersuchung ersetzen kann. Aus diesem Grund soll die NIPT IMMER mit einem detaillierten Ultraschall zum Ausschluss zumindest schwerer Fehlbildungen verbunden sein.
- Nackenfaltenmessung
Die Nackenfaltenmessung (NT= nuchal translucency) war über 25 Jahre die beste Methode, Kinder mit T21 zu finden. Wird die Untersuchung vom Spezialisten durchgeführt, so werden 96% aller Kinder mit T21 gefunden. Gleichzeitig ist die falsch-positiv-Rate jedoch mindestens 3%, meist eher 5%. Verglichen mit der NIPT sind diese Zahlen schlecht. Nehmen wir nochmal das Beispiel der 35-jährigen mit einem Risiko von ca 1:300. Werden wieder 1000 Untersuchungen mit NT durchgeführt, so sind 3 richtig, wobei das Restrisiko wegen der Detektionsrate von lediglich 96% (4 von hundert werden übersehen) deutlich höher als bei der unauffälligen NIPT. Viel schlimmer ist jedoch die hohe falsch-positiv-Rate von 5%. Bei 1000 Tests ergeben sich 50 Schwangerschaften, bei denen es heißt es könnte eine T21 sein und eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt werden muss. Verglichen mit der NIPT von 1 falsch positiven ein wirklich schlechtes Ergebnis.
Dementsprechend entspricht die NT-Messung heute nicht mehr dem, was einem Paar mit Wunsch nach Abklärung bzgl. Chromosomenstörungen als alleinige Diagnostik empfohlen werden sollte. Trotzdem ist die NT-Messung weiter Bestandteil der Empfehlungen unserer Fachkommissionen. Mit der NT-Messung wird ein Risiko für eine chromosomale Störung errechnet. Bei einem Risiko von höher als 1:100 (also 1:99, 1:50 etc.) wird die Fruchtwasseruntersuchung empfohlen. Bei einem Risiko zwischen 1:100 und 1:1000 die Durchführung einer NIPT. Ist das Risiko geringer als 1:1000 so kann nach Leitlinie auf eine NIPT verzichtet werden. Die NT-Messung muss allerdings selbst bezahlt werden.
- Fehlbildungsultraschall 20. SSW
Zwischen der 18. Und 22. SSW sieht die Schwangerenvorsorge einen ausführlichen Organschall vor. Führt ihr Frauenarzt diesen durch, so obliegt ihm eine Diagnostik bzgl. Der grundlegenden Organe, z.B. ist der Magen vorhanden, hat das Herz 4 Kammern etc. Dies erfolgt bei unauffälligen risikofreien Schwangerschaften. Liegt eine Risikoschwangerschaft vor (z.B. wenn sie 35 Jahre oder älter sind), so kann ihr Frauenarzt sie zu einem Spezialisten für Pränataldiagnostik schicken. Dort wird ein umfassender hochauflösender Ultraschall durch einen entsprechend ausgebildeten Spezialisten durchgeführt, in dem alle erfassbaren Auffälligkeiten gesehen werden können. Stellt der Spezialist Auffälligkeiten fest (z.B. einen Herzfehler), so schließen sich in der Regel weitere Untersuchungen wie zum Beispiel eine Abklärung der Chromosomen des Kindes durch eine Fruchtwasseruntersuchung an. Gerade die Kenntnis von möglichen Problemen des Kindes ist von großer Bedeutung für die weitere Überwachung der Schwangerschaft wie auch die Wahl der richtigen Entbindungsklinik. Auch ein SS-Abbruch ist zu diesem Zeitpunkt bei zum Beispiel nicht-lebensfähigem Kind noch möglich.
Von unseren Fachgesellschaften wird ein solcher Spezialultraschall für alle Schwangeren gefordert und empfohlen. Leider wird dieser jedoch von den Kassen nur in bestimmten Fällen bezahlt – wie zum Beispiel bei Angst vor einer Mißbildung seitens der werdenden Eltern. Für diesen Ultraschall brauchen sie regelhaft eine Überweisung durch ihren Frauenarzt. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, den Spezialultraschall als Privatleistung selbst zu zahlen.
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